Stiftung Wahrheit in den Medien

SYMPOSIUM (Gratis-) Pendlerzeitungen: Segen oder Fluch unseres Mediensystems?

Zenit der Gratis-Pendlerzeitungen ist überschritten

8. Symposium der Stiftung Wahrheit in den Medien an der Universität Luzern

Zum achten Mal führte die Stiftung Wahrheit in den Medien (SWM) in Luzern ihr Symposium durch. Dieses Mal unter dem Titel „Gratis-Pendlerzeitungen: Segen oder Fluch des Mediensystems?“ Der Befund: Weder noch, ja es gibt auch durchaus positive Elemente. Allerdings scheint ihr Zenit überschritten

Die Referentin am Symposium, die Marlis Prinzing Hochschuldozentin u.a. in Bern, Tübingen, Luzern, zog folgendes Fazit: „Die Zukunft ist ungewiss – für die traditionelle Zeitungsbranche wie für die Gratis-Marktneulinge. Segen oder Fluch? Sicher eine Herausforderung.“ Nirgends würden so viele Gratis-Pendlerzeitungen pro Kopf gedruckt wie in der Deutschschweiz, nämlich 1,6 Mio Exemplare täglich. Aber wie schon im Ausland hätten sie ihren Zenit überschritten. Ursache seien die teils übersättigten Märkte. Konzepte zur Differenzierung und Segmentierung hielten den einen oder anderen Titel über Wasser. Manche würden auf andere Zeitfenster setzen, etwa „Blick am Abend“.

Ein Fluch für die Demokratie

Marlis Prinzing hielt aber auch fest, dass die meisten Gratisblätter weniger Inhalt als Kaufzeitungen aufweisen würden. Die Verwässerung der Inhalte sei „ein publizistischer Fluch für die Demokratie“. Diese Tendenz werde zusätzlich genährt durch einen „Journalismus ohne Meinung“ und den Verzicht auf den Thesenjournalismus. Erstes Gebot sei offensichtlich die Rendite, was einer „Bankrott-Erklärung für die Demokratie“ gleichkomme. Als einen weiteren Negativpunkte ortete Marlis Prinzing den „trügerischen Hoffnungsträger Jugend“. Medienpsychologische Untersuchungen hätten diese These falsifiziert. Lesen sei für viele Jugendliche nach wie vor peinlich, man greife nur in die Zeitungsbox, „weil sie halt rum steht.“

Marlis Prinzing sieht aber auch Chancen, etwa wenn sich Gratis-Pendlerzeitungen qualitativ verbessern würden. Ein Teil der heutigen Probleme sei hausgemacht: Viele Medienhäuser und ihre Redaktionen hätten es versäumt, „ihren Publika zu erzählen, warum Qualität etwas kostet und was der wirkliche Preis für Gratispresse sein kann.“ Kategorisch forderte sie: „Wer an der Demokratie interessiert ist, muss darauf hinweisen.“ Im Weiteren könnten die Gratisblätter ein Zahnrad sein in einer multimedialen Verwertungskette, hin zu inhaltlichen und werblichen Synergien. Sie mutieren damit zur strategischen Waffe indem sie zur Risikostreuung beitragen: „Ist der Markt für das eine Produkt gesättigt, hilft man sich über ein Plus auf anderen Geschäftsfeldern.“

Die Bedeutung der Meinungsbildung

Unter der Leitung von SWM-Präsident Hermann Suter schloss das Symposium mit einer Podiumsdiskussion ab. Gabriele Siegert, Professorin für Publizistikwissenschaften an der Universität Zürich, hatte Vorbehalte gegenüber der kostenlosen Verbreitung von Informationen. Damit werde dieses „sensible Gut“ zur kommerziellen Ware „degradiert“. Sie betonte die Bedeutung des meinungsbildenden Journalismus. Aus diesem Grund sei bei gleicher Information die NZZ bei der Leserschaft glaubwürdiger als der Blick. 

Thomas Bornhauser, Chefredaktor der Neuen Luzerner Zeitung, betrachtete das Problem aus der Praxis. Gratiszeitungen würden sich hundertprozentig aus der Werbung finanzieren. Falle diese weg, würden vermutlich auch diese Periodika wegfallen. Denn immerhin könnten die Kaufzeitungen auf die Abonnenten zählen. Dazu komme bei ihnen als wichtiger Faktor die „Verpflichtung zur Region“. Er zeigte sich indessen überzeugt, dass durch die Gratiszeitungen eine Mediensozialisation stattfinde.

Sacha Wigdorovits, ehemaliger Chefredaktor Blick und .ch, vertrat die These, dass letztlich der Qualitätsjournalismus obsiegen werde – auch bei den Gratisblättern, wo schon in der Gegenwart qualitative Unterschiede festzustellen seien. Der ökonomische Erfolg hänge immer vom Produkt ab, und das sei die Leistung des Journalismus. Wenn etwa der Tages Anzeiger eine wichtige Frage nicht kommentiere, dann unterscheide er sich nicht von den Pendlerzeitungen.

Paul Ehinger

Bisherige Symposien der Stiftung „Wahrheit in den Medien“ (SWM):

2001 Wahrheit in den Medien – Utopie oder verpflichtende Norm?

2002 Medienpädagogik und Zukunft der Demokratie

2003 Die totale Informationsgesellschaft – Chancen und Risiken?

2004 Manipulation von oben – Staatliche Information als vorfabrizierte Wahrheit?

2005 Was für eine SRG braucht die Schweiz?

2006 Die verratene Wahrheit

2007 Was legitimiert die Medien als vierte Gewalt?

Mehr Informationen:

BEITRAG: (Gratis-) Pendlerzeitungen: Segen oder Fluch unseres Mediensystems?

- Die Referentinnen und Referenten am Podiumsgespräch